Finissage: Samstag, 30. Oktober 2021, 17 Uhr,
in Anwesenheit des Künstlers
Wolfgang Hainke arbeitet als Grenzgänger zwischen den Genres der bildenden Kunst in den Bereichen Performance, Druckgraphik, Mail Art, Multiples – und als Künstlerkurator. Ein Teil seiner Werke entsteht in offenen Arbeitssituationen, z.B. zusammen mit befreundeten Künstlerinnen und Künstlern. Diese kommunikative und offene Vorgehensweise schlägt sich auch in der Verwendung unorthodoxer Materialien, aber auch in Sprache und Text nieder. Am Ende erweisen sich seine oft raumfüllenden Setzungen, bei denen mitunter der Zufall eine Rolle zu spielen vermag, als sehr präzise und wohlüberlegt. Hainke knüpft in seiner Haltung und gesamten Ideenlage an das an, was die Fluxusbewegung noch immer ausmacht. Aber auch an Allan Kaprows The Blurring of Art and Life. Ein Werk voller Bedeutungen, Anspielungen, philosophischem Tiefgang und Humor.
Der merkwürdige Titel der Ausstellung korrespondiert gleich nach mehreren Seiten. Hauptmotiv im Schaufenster ist ein über 300 Kilo schwerer Motorblock aus den 1960er Jahren, der aus einem Auto des Typs MG stammt. Sicher im Stahlträger der Decke verankert dreht sich diese etwa 140 PS starke Maschine wie ein Display sehr langsam doch exakt einmal pro Tag um sich selbst. THE MACHINE ist auch der Titel einer legendären 1968 im New Yorker MOMA gezeigten Ausstellung des couragierten Kurators Pontus Hultén. Ihr Untertitel AS SEEN AT THE END OF THE MECHANICAL AGE gibt zugleich die Denkrichtung an, in die Hainke sein Ausstellungsprojekt denkt und realisiert hat. Sowohl die historische Schau im MOMA, als auch der antike Motorblock stehen hier für eine differenzierte Beschäftigung mit dem mechanischen Zeitalter (das schließlich durch das elektronische und aktuelle digitale abgelöst werden sollte). Eine Vergrößerung des seinerzeit aus Weißblech gemachten Katalogcovers wurde derart unter dem Motor platziert, dass es besagte Korrespondenzen optisch untermauert und bestätigt.
Doch wer ist SALLY LUNN, deren Name ebenfalls prominent auf der Scheibe platziert wurde? Hainkes Anspielungshorizonte reichen bis nach Bath in England, wo er vor längerer Zeit auf eine historisch verbürgte, gleichwohl legendäre Konditorin und ihr köstliches Hefegebäck stieß. Eben Sally Lunn’s legendäre Buns wurden bei der Essener Vernissage gereicht, so dass die (in Sicherheitsabständen stehenden) Gäste eine Wechselwirkung zwischen dem Gebäck, den visuellen Eindrücken und den durch beide Komponenten stimulierten Gedanken spüren konnten. Alle Bestandteile der Ausstellung lassen immer wieder derartige Querverbindungen und Korrespondenzen zu. Die Inzidenzzahlen am Tag der Eröffnung ließen indessen bis zu sechs Personen im Raum gleichzeitig zu. Es lohnt sich also in jedem Fall, nicht nur das inspirierende Schaufenster von außen zu sehen, sondern auch den Raum zu durchwandern, die miteinander korrespondierenden Exponate nach und nach zu entschlüsseln, um eine ästhetische Erfahrung innerhalb dieser Ausstellung zu generieren, die mehr ist als die Summe ihrer Einzelteile.
Die Ausstellung SALLY LUNN—THE MACHINE—WOLFGANG HAINKE ist speziell für den Raum des Kunstvereins in einem längeren Prozess entstanden, an dem auch mehrere Seminarteilnehmerinnen der Uni Bremen beteiligt waren. Während der Laufzeit der Ausstellung kommt es immer wieder ( auch durch das Schaufenster sichtbar), durch Lecture-Performances bespielt und neu aktiviert wird. Ein Katalog ist in Planung.