Kyungwoo Chun
SAPPHO: OHPPAS
2 Kanal Videoinstallation / Fotoarbeiten
25. Mai bis 31. August 2008
Kamera & Schnitt: Erwin Wiemer
Der koreanische Künstler präsentiert im Schaufensterraum eine neue Multimedia-Installation aus zwei einander gegenüber hängenden Projektionswänden. Schon die gespiegelte Schreibweise des Ausstellungstitels (griechisch ) deutet an, dass es hier um eine Dopplung oder Gegenüberstellung geht. Zu sehen ist das gespiegelte Portrait einer androgyn wirkenden Frau, die hier in der Tat für die griechische Dichterin Sappho steht. Am Anfang statisch, rein fotografisch, beginnen die beiden Gesichter mit ihren geschlossenen Augen nach einiger Zeit zu lächeln und Lippen zu bewegen, als wollten Sie uns oder ihrem jeweiligen Alter Ego etwas sagen. Wenn sie plötzlich Ihre blauen medusenhaften Augen öffnen, wird klar, dass sie sowohl untereinander, als auch mit dem Betrachter kommunizieren. In der Tat rezitieren sie Verse der antiken, aus Lesbos stammenden Dichterin, doch hört man anstelle einer Stimme im Ausstellungsraum Musik des Komponisten Gerhard Staebler, der Sappho eine Konzerttrilogie gewidmet hat. Für Chuns Arbeit sind indessen die eindrücklichen Bilder das Ausschlaggebende. Sowohl die zufälligen Passanten, die am Kopstadtplatz in das Schaufenster des Kunstvereins schauen, als auch die Ausstellungsbesucher, die den Raum betreten, werden von den beiden ewas überlebensgroß projizierten Gesichtern sofort in Bann geschlagen. Sappho im Dialog mit sich selbst, Ihrem zweiten Ich. Eine Form der Selbstbefragung, ein Reflektieren der eigenen Identität, das bei den Griechen schon früh einsetzende „Gnoti Seauton“ (), die Aufforderung: „Erkenne Dich Selbst!“, scheint hier Thema und Form zugleich geworden zu sein. Dass man eine solche Form der Selbstbeschreibung und Selbstreflexion der historischen Sappho unterstellen darf, zeigen die wenigen von dieser Dichterin überlieferten Verse, in denen sie etwa über die Selbstbeobachtung ihres Älterwerdens und ihren nie nachlassenden Lebensdurst schreibt und in poetischer Weise reflektiert. Der Blick in den Spiegel, der Dialog mit dem eigenen Ich ist zweieinhalb Jahrtausende später von Jaques Lacan als ein besonderer beschrieben worden. Wir sind demzufolge nicht identisch mit dem, was wir da gespiegelt sehen, unser Blick trifft zwar auf unser seitenverkehrtes Abbild, zugleich aber auch auf unsere Vorstellungen, Wünsche, Sehnsüchte. Wir nehmen vor dem Spiegel wie von selbst eine andere Haltung ein, beginnen uns bisweilen kritisch zu betrachten. Zudem ist das Ich auch durch die Vorstellungen und Erwartungen anderer beeinflusst, es behauptet sich immer wieder neu, ist damit ständig im Fluss und stellt seine Veränderbarkeit zur Diskussion. Ich ist in der Tat ein Anderer / eine Andere und die Vorstellung eines absolut integren, in sich ruhenden, eindeutigen Ichs sollte lieber durch Lacans Entwurf einer vielschichtigen von mehreren Faktoren bestimmten Ich-Identität abgelöst werden, bei der die Übergänge von Erkennen, Verkennen und sich Verändern fließend sind.
Auch bei den im hintereren Teil der Ausstellung zu sehenden Fotoarbeiten aus dem Jahr 2007 „Believing is seeing“ und „Versus“ handelt es ich um Beispiele von Selbstwahrnehmung und Wahrnehmung vermittelt durch den besonderen (Kamera-) Blick des Künstlers. Chun arbeitet mit langen Belichtungszeiten, also mit dem Faktor Zeit, der seinen Arbeiten eine unverwechselbare Ästhetik gibt. Die Bilder künden von einem Dialog zwischen dem Fotografen und den Fotografierten, der mehr ist als die eindeutige / einseitige Beziehung von Subjekt und Objekt. Wir haben es in jedem Falle mit einem entschleunigten Blick zu tun, der die Bilder weit über die Vorstellung eines Abbildes hinauszuheben vermag.
Peter Friese
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