Dan Flavin
Untitled, 1995
23.11.2003 - 01.02.2004
Im neuen Ausstellungsraum des Kunstvereins, Kopstadtplatz 12
Wie sich die Farben seiner fünfteiligen Arbeit von 1995 durchdringen, so mischen sich in Dan Flavin der Drang zur Exaktheit und die Lust zur Ironie und zum antiakademischen Affront. Früh hatte er alle Versuche, ihn der Minimal Art zuzuschlagen und seine Leuchtstoffröhren lediglich als weitere "specific objects" anzusehen, zurückgewiesen. Er bestand darauf, dass es sich bei seinem Werk nicht um Lichtskulpturen handele, sondern um "Bild-Objekte", also um Dinge, die letztlich malerische Wirkung verbreiteten. Er verbat sich jede Spekulation über die "Transzendenz" seiner künstlerischen Geste und wies darauf hin, dass seine Röhren "niemals verbrennen" würden in "Sehnsucht nach einem Gott". Flavin betonte statt dessen, dass bei aller überschreitenden Wirkung des Gaslichts doch stets die materielle Hülle der Neonröhre zu erkennen sei, also ein klarer Rückbezug ans Dinglich- Alltägliche, also das Industrieprodukt gewährleistet sei. (...) Als Flavin 1963 in seinem Atelier die erste Leuchtstoffröhre diagonal an die Wand angebracht hatte, empfand er angesichts des "heiteren und ruhelosen Gasbildes" tiefe Befriedigung. Dessen Bezeichnung als "Ikone" war nicht religiös gemeint, sondern betonte die modulare und genormte Qualität der Lichterscheinung. In den von ihm gestalteten Räumen sollte keine Andachtsstimmung entstehen, der amerikanische Künstler erwartete vom Betrachter / Teilnehmer "schnelles, unmittelbares Verstehen". Das Verweilen vor Kunstwerken galt Flavin als überflüssige Reminiszenz. Erst die Eigenbewegung der Betrachter eröffnet ihrer Wahrnehmung entsprechende Reichweite, denn selbstverständlich wirkt das (Farb)Licht der Leuchtstoffröhren als erhebliche Verformung oder Weitung des vorgegebenen Raums. Flavins (...) horizontal ausgerichtete Arbeit von 1995, bei der je zwei Neonröhren eine halb so große zwischen sich fassen und dabei verschiedene Kombinationen von Rot, Gelb, Grün und Blau durchspielen, wirkt wie ein fragmentierendes Triebwerk für Beschleunigungen, das jeden Raum zum Kreisen bringt und dabei Reflexionen von tableauhaft geordneten Farbfeldern hinterlässt -auf Böden oder sonstigen spiegelnden Flächen. Hier gehen die Werkanteile von fluoreszierenden Körpern, durchmischtem Farblicht, suggerierter Dynamik und orthodoxem Abglanz eine virtuose Verbindung ein und gewähren die "vollständige Erfahrung".
Rudolf Schmitz, 1998
|