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Markus Sixay,
Ohne Titel, 2006
100.000 gefälschte 100 $-Scheine

im Raum des Kunstvereins, Kopstadtplatz 12
29. Januar bis 1. April 2007

Markus Sixay hat den Boden des Ausstellungsraumes am Essener Kopstadtplatz komplett mit kopierten Hundertdollarnoten bedeckt. Die im Ausstellungsraum großzügig verteilten Geldscheine liegen dicht und flächendeckend, so dass nichts mehr vom grauen Galerieboden zu sehen ist. Eine derartige Auslegung von Geld ist in der Tat ungewöhnlich, vermutet man doch eher, dass Banknoten in solchen Mengen sorgfältig gebündelt und abgezählt in einem Tresor aufbewahrt werden. Auch ist Geld in dieser Häufung als Gegenstand Bildender Kunst oder einer Ausstellung höchst ungewöhnlich. Auf den ersten Blick assoziiert man Begriffe wie „Geldspeicher“, denkt gar an den legendären Onkel Dagobert, der sein tägliches Geldbad in einer Unmenge von Talern und Scheinen zu nehmen pflegt(e) und muss angesichts dieser merkwürdigen Raumfüllung schmunzeln. Derart verstreut und über den Boden verteilt sind Banknoten weder zählbar, noch in ihrem gesamten Wert abschätzbar. Doch hat der Künstler hier (durch ein vorher entschiedenes Konzept) tatsächlich 100.000 Stück der amerikanischen Valuta zum Einsatz gebracht. Macht man sich die Mühe des Kopfrechnens, liegen hier im Grunde dem Betrachter nicht weniger als 10.000.000 $ (zehn Millionen Dollar) zu Füßen!

Die noch immer den Weltmarkt bestimmende und von daher überaus begehrte Währung eröffnet durch die Verlagerung in einen Ausstellungsraum wie von selbst neue Bedeutungsfelder. Eine gewaltige Menge Geld, dessen (angenommen faktischer) Tauschwert unglaubliche Möglichkeiten eröffnen würde. Wie mit dem Jackpot eines Lotteriegewinnes wäre man beispielsweise in der Lage, alle finanziellen Probleme eines Kunstvereins auf einen Schlag zu lösen. Endlich ein Etat mit dem es sich ernsthaft und ganz im Sinne der Kunst auch an aufwändigen Projekten arbeiten ließe! Wie viele Ausstellungen könnten mit solch einem Geldbetrag finanziert werden, wie viele Kataloge gedruckt, auch das leidige Mietproblem wäre für Jahrzehnte gelöst! Doch es geht hier nicht um Spekulationen oder Träumereien, sondern um eine eigenwillige Form von Konzeptkunst: Der Kunstverein Ruhr stellt endlich das massenhaft aus, was ihm am meisten fehlt. (Kenner wissen längst, dass es nicht die Ideen sind)

Anders argumentiert und im Sinne einer vor allem in der Kunst möglichen Paradoxie weiter gedacht: Die Realabstraktheit des Tauschwertes, wie sie schon von Karl Marx erkannt worden war, vermag hier in überaus sinnlicher Form aufzuscheinen. Zehn Millionen Dollar als raumfüllende Maßnahme vor sich liegen zu sehen, ist schon etwas anderes als lediglich den Ausdruck der Ziffer Eins mit sieben Nullen dahinter in einer Bilanz wieder zu finden. Wir erhalten ein dreidimensionales, überwältigendes Bild dessen, was in sprichwörtlicher Weise die Welt regiert. Bedingt durch die Tatsache, dass man während der Ausstellung den Raum nicht betreten darf, funktioniert die Rauminstallation wie eine Fata Morgana, wie das entfernte Leuchten von etwas Erhabenem, Unerreichbaren. Diese Ferne (die Walter Benjamin in seiner Definition von Aura sicher niemals mit dem Mammon in Verbindung gebracht hätte) wird uns überaus bewusst und funktioniert als zu empfindende Wertigkeit oder als Transzendentalie selbst dann, wenn diese kleinen bedruckten (zudem gefälschten) Scheine massenhaft vor uns liegen.

Die Aura des Geldes klingt als zu Empfindende an, lässt und schmunzeln und schaudern zugleich, doch sie verführt uns nicht zum naiven Träumen, sondern vor allem dazu, unseren Verstand und unser Sprachvermögen einzuschalten. In der Tat: hier geht es bei der Beschäftigung mit Sixays Arbeit vor allem um ästhetisches Raisonnement! Um den souveränen Akt eines Andenkens und Empfindens von Möglichkeiten, die faktisch in dieser Qualität nur in der Kunst vorhanden sind. Wir sehen die 100.000 bedruckten Scheine nicht einfach nur vor uns liegen, um uns täuschen zu lassen oder auf ihre vermeintlichen Verheißungen oder auch eine (vordergründige) Kritik am zur Zeit herrschenden Turbokapitalismus hereinzufallen, sondern wir sehen und empfinden uns zugleich selbst als sehende, zweifelnde und denkende Subjekte!!! Dies mag angesichts der hunderttausend Papierstückchen etwas pathetisch klingen, doch geht es vor allem auch darum! Wir versetzen uns ohne größere Anstrengungen in die Lage über die Bedingungen der Möglichkeiten solcher zwiespältigen, mit diesem Raum möglichen Erfahrungen nachzudenken. Zum Beispiel auch über diejenige, dass als Gegenteil von Täuschung eine heilsame „Ent-Täuschung“ angesehen werden darf, die so verstanden jeden negativen Beigeschmack verliert.

Man sieht eine Unmenge an Geld, weiß aber, dass nur der Schein nicht trügt, dass es sich also bei diesen einhunderttausend Scheinen um Falschgeld handeln muss. Wir lassen uns souverän ent-täuschen und empfinden dies (weil wir eben transzendentale Subjekte sind) sogar noch als eine besondere Form gedanklicher Freiheit! In der Tat handelt es sich bei derartigen Denkoperationen (einschließlich der vorausgegangenen Empfindungen, Zweifel und sinnlichen Eindrücke) um echte ästhetische Erfahrungen, wie sie dem Umgang mit wahrer Kunst vorbehalten sind. Der Verdacht, dass es sich bei diesem Raum voller Geld tatsächlich um Kunst handeln könnte, wird auf wunderbare Weise durch den Betrachter selbst bestätigt. Oder um quasi transzendental mit Bazon Brock zu sprechen: „Wir haben nur das, was uns fehlt!“

Dank an: Sies + Höke, Düsseldorf und Mehdi Chouakri, Berlin

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